- 29. Apr. 2022 / Freitag 20:00 Uhr
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Der General
Buster Keatons Stummfilm „Der General“
mit der Stimme von Leinwand-Lyriker Ralph Turnheim
Moderation: Hans-Jürgen Lenhart
Leinwand-Lyrik
Stummfilm mit Stimme? Ja, das geht und wie! Sogar gereimt! Und das ist unbedingt sehens- und hörenswert! Ralph Turnheim ist Leinwandlyriker und vertont Stummfilme live mit viel Sprachwitz und Wiener Schmäh in selbstgeschriebenen Erzähltexten in Gedichtform. Das findet nicht nur immer mehr Fans, sondern ist das Beste, was man in einer Zeit computergenerierter Blockbuster für bestimmte Stummfilme machen kann, um sie vor dem Vergessen zu bewahren. Der gelernte Schauspieler Turnheim ermöglicht damit auch eine Zeitreise an den Beginn der Stummfilmära, als im Wanderkino Rezitatoren in der Art eines Moritatensängers das Bild kommentierten bzw. die Rollen des Schauspielers mit veränderter Stimme sprachen oder Geräusche imitierten. Neben einem 16-Millimeter-Projektor und einem Spiegel, um das Geschehen auf der Leinwand hinter ihm punktgenau zu verfolgen, braucht Turnheim nur noch den obligatorischen Strohhut auf dem Kopf. Mit Ironie steigert er bei seinen Reimen die Komik manch pathetischer Szene und gibt den Streifen eine völlig neue Wahrnehmung. Die Filme gewinnen an Faszination und werden umso mehr als die Meisterwerke gewürdigt, die sie auch heute noch sind, trotz der Verwöhnung vieler Zuschauer durch Special-Effect-Gewitter. Aber was sind denn auch sterile Animationsmätzchen gegen die atemberaubenden und lebensgefährlichen Stunts z. B. eines Buster Keaton, der sie alle noch selbst ausübte. Mit dem ganzen Körper, mal tief dröhnendem Bass, mal säuselndem Sopran, gibt der gebürtige Wiener Turnheim den Personen im Film eine Stimme. Pausenlos, jede Szene, jedes Geräusch, jede Rolle. Damit riss er schon auf etlichen Filmfestivals die Zuschauer zu Lachattacken hin. Ein in Deutschland einmaliges Erlebnis und vielleicht noch intensiver als nur mit Musikuntermalung.
Der General
Die 1926 gedrehte US-Komödie ist nicht nur von und mit Buster Keaton, Ralph Turnheims Lieblingsfilmkomiker, sondern zählt seit Jahrzehnten im Ranking der Experten zu den besten Filmen und Komödien aller Zeiten. Keaton nimmt als Lokomotivführer Johnnie Gray zur Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges einsam die Verfolgung seiner von nordstaatlichen Spionen entführten Lokomotive General auf, erst zu Fuß, dann mit einer Draisine, schließlich mit einer weiteren Lokomotive. Er trotzt dabei allen Hindernissen, die ihm die Spione in den Weg legen. Berühmt ist die Szene, in der eine vom Feuer beschädigte Brücke unter der Last der Lokomotive zusammenbricht. Mit Erfindungsreichtum gelingt es Gray, sowohl seine Maschine als auch die Gunst seines geliebten Mädchens Annabelle Lee zurückzuerobern. Etwa ein Fünftel des fertigen Films wurde mit fahrenden Kameras gedreht, damals alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Durch sparsamen Einsatz von Zwischentiteln wird zudem der fließende Eindruck des Films verstärkt. Die spezielle Komik Keatons basiert darauf, dass der Zuschauer etwas sieht, das der Lokführer Johnnie nicht bemerkt.
Erst nach seiner Wiederentdeckung ab den 1950er Jahren wurde der Film als Meisterwerk gewürdigt. Bei der Premiere floppte der Film bei Publikum und Kritik und war zudem eine der teuersten Komödien der Stummfilmära. Die meisten Kritiker schien abzustoßen, dass sich der Komiker ein ernstes Thema wie den Bürgerkrieg als Hintergrund für eine Komödie erkoren hatte. Außerdem behinderte die damals zu langsame Projektionsgeschwindigkeit die Rasanz des Films. Das Werk entstand am Höhepunkt von Keatons Ruhm, aber der Misserfolg brachte das Ende von Keatons künstlerischer Unabhängigkeit.
Buster Keaton
Buster Keaton (1895-1966) zählte neben Charlie Chaplin und Harold Lloyd zu den erfolgreichsten Komikern der Stummfilmzeit. Wegen seines ernsten, stoischen Gesichtsausdrucks wurde er Der Mann, der niemals lachte genannt. Ein weiteres Markenzeichen war sein flacher Porkpie-Hut. Aufregende Stunts, technische Innovationen und ein trockener Humor kennzeichneten seine Autorenfilme. Im Zuge des finanziellen Misserfolgs seines Films Der General wurde Keaton 1928 Schauspieler bei MGM. Seinen Karriereabstieg verkraftete er nicht und wurde alkoholkrank. Bei den Wiederaufführungen der restaurierten Fassung von Der General in 20 Städten Deutschlands im Jahr 1962 wartete Keaton, der die Tour begleitete, während der Vorstellungen vor dem Kino: Grundsätzlich sah er sich nie seine eigenen Filme mit Publikum an.
Der Journalist und Kurator der Reihe ITF-Club Hans-Jürgen Lenhart wird Ralph Turnheim mit seiner Vorgehensweise vorstellen und ihn zum Film und Buster Keaton befragen.
www.leinwand-lyrik.de
Der General Live
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